
Anselm Kiefer: ‘Art is difficult, it’s not entertainment’
Jonathan Meese beschäftigt sich in seiner Arbeit immer wieder auf provokante Weise mit dem deutschen Nationalverständnis. Er beansprucht “einzig und allein der Gerichtsbarkeit der Diktatur der Kunst” zu unterstehen und bezeichnet sich als Gegner jeglicher Ideologie. Das erste Urteil im sogenannten Hitlergruß-Prozess gegen Jonathan Meese wurde im August 2013 gefällt: Das Amtsgericht Kassel sprach damals den Künstler vom Vorwurf frei, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben. Am 02.01.2014 stellte die Mannheimer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Jonathan Meeses Theaterperformance während der Internationalen Schillertage endgültig ein. Die Grenzen der im Grundgesetz garantierten Kunstfreiheit seien nicht überschritten worden.
Jonathan Meese äußert sich zur Tagespolitik, insbesondere zu Donald Trump.
Auch wenn dies die Grenzen der Berichterstattung im Fall Meese sprengt, hier die teilweise wörtlichen Mitschriften der absurden Dialoge im Gerichtssaal aus dem Jahr 2013.
Der bärtige Langhaarige ist unnachgiebiger als der ehemalige Diktator und tut oft unglaublich dumme Dinge, flüsterte die Frau des Gerichtsdieners den zweiten Angeklagten in einem unbewachten Augenblick zu.
Titorelli (Gerichtsmaler): Nur über das Motiv war nichts auszumachen. Es schien keins zu geben.
Fräulein Elsa: Darüber hinaus bin ich zum wiederholten Male während der Verhandlung unvermittelt in großes Gelächter ausgebrochen, über banale Dinge, die mir in der Vergangenheit wohl kaum ein Lächeln abgerungen hätten.
Josef K.: Vor allem aber ist der Prozess abhängig von gnadenloser GEISTESTRÄGHEIT und absolut unverständlicher VERWIRRUNGSTAKTIK!
Kopiervorlage d. Gerichtsbeobachter: Mitsamt der versammelten Baukörper einer eklektizistisch orientierten Gerichtsbarkeit, die sich in einer pompösen Komödie gefällt, fallen wir endgültig in eine endlose Saure-Gurken-Zeit. Das ist, wie wenn man will, aber nicht kann und es trotzdem versucht. Und wer es nicht kann, der produziert endlos Tatbestände, und so entstehen kollektive Irrtümer mit galoppierender Inkompetenz auf jeder Ebene.
Advokat Huld: Im Gerichtsraum ist im Boden eine Art Falltür eingebaut, die zu den darunter liegenden Stockwerk führt und immer einen Spaltbreit offen steht, so dass die im gesetzlich vorgeschriebenen Ruheraum Liegenden ab und zu das Bein eines Anwaltes oder Angeklagten zu sehen bekommen. Manchmal vernehmen sie seltsame Geräusche vom oberen Stockwerk: Es knirscht und knarzt manchmal so jämmerlich, dass von Rücksicht auf das Ruhe- und Entspannungsbedürfnis aller Anwesenden keine Rede sein kann. Mitunter rieselt etwas Sand aus dem alten Gebälk an der Decke, so dass jene, die Stunden in einer regungslosen Position verharren, von Zeit zu Zeit von ihren Bettgestellen aufspringen und hinter einem kümmerlichen Bretterverschlag in Deckung gehen.
„Denn furchtbar ist das Ganze, aber komisch sind die Details“ [1]
Erinnert sei an Anselm Kiefer und seinen intellektuell tiefgründigen, kritischen und selbstreflexiven Umgang mit der Vergangenheit unter dem Motto: ‘Art is difficult, it’s not entertainment’.
“Besetzungen” nannte Kiefer seine Aktionen, bei denen er sich mit Hitlergruß und einer Uniform, die er auf dem Dachboden seiner Eltern fand, in die Landschaft Frankreichs und Italien stellte und fotografieren ließ. Inspiriert von seinen Szenerien malte er acht “Heroische Sinnbilder”, die ihn in dieser Pose zeigen.
2008 wurde dieser Zyklus zum ersten Mal in Deutschland gezeigt. Bis dahin wagte keiner die Bilder auszustellen. Also blieben sie im Atelier des Künstlers. Zahlreiche Auseinandersetzungen um die Person Anselm Kiefers folgten, die in der Schlagzeile einer Kunstzeitschrift, Anfang der 90er gipfelte: “Ist Anselm Kiefer ein Neonazi?“
2008 “Anselm Kiefer: Heroische Sinnbilder”
Die Jahre der Entscheidungen (Kafka ) | Reiner Stach | ISBN: 9783100751140 | S. 554
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